Professor Nepomuks Erbe

Professor Nepomuks Erbe

Wie ein Wandeln in einem schönen Garten würde die Zeit danach sein und sie die wohlverdienten Früchte ihrer Anstrengungen ernten.
Das jahrelange, äußerst anstrengende Studium, welches viele Entbehrungen mit sich gebracht hatte, näherte sich unaufhaltsam seinem Ende. Auf diesen Moment hatten sie ausnahmslos alle gewartet. Dieser Zeitpunkt war ihnen als eine umfassende Erlösung, das erstrebenswerte Ziel ihrer Anstrengungen gepriesen worden. Nur drei Stunden trennten Marvin von einer freien und heiteren Phase, die er, während er unzählige Stunden über den wissenschaftlichen Büchern gebrütet hatte, so oft herbeigesehnt hatte. Aber es war seltsam! Statt erleichtert, fühlte er sich ausgebrannt und lustlos!

Es gab jedoch noch ein Hindernis, eine ernstzunehmende Gefahr, die bei einigen Kommilitonen maximale Anspannung hervorrief. Von den letzten acht Zöglingen würden nur sieben in diesem Garten wandeln dürfen – und der achte, so gut seine Leistungen auch sein mochten, musste die ehrwürdige Universität ohne Abschluss verlassen. Dies war seit über sechs Jahrhunderten eine in Stein gemeißelte Konvention, an der nicht gerüttelt werden durfte. Eltern, eines kurz vor Erreichen des Ersehnten Ausgeschiedenen, gingen seit Generationen immer wieder mit aller Finesse und Macht gegen diese Demission an – aber stets vergeblich. Die Statuten des Hauses waren unverrückbar. Es war ein unerbittliches, aber außerordentlich wirksames System die Studierenden zu Höchstleistungen anzuhalten. Pro Stufe gab es einen Platz weniger. Nur bei einer ersten Auswahl unter den zahllosen Bewerbern wurde natürlich ungleich mehr ausgesondert.
 
Dennoch schickten immer wieder Eltern ihre Kinder hierher, denn wer innerhalb dieser über tausend Jahre alten Mauern ein Studium abschloss, hatte ausgesorgt. Professor Nepomuk hatte zu Beginn des ersten Semesters eine feierliche Rede gehalten: „Sie strengen sich einige Jahre an, um auf die Höhe ihres Wissens zu kommen. Zugegeben, dies erfordert eine nahezu unmenschliche Anstrengung und Disziplinierung des Geistes. Aber wenn sie sich erfolgreich bezwungen haben, erreichen sie früher oder später die geradezu aristokratische Stufe eines Lehrenden. Daraufhin werden sie ihre Kenntnisse auf einer hohen Stufe erhalten. Sie werden eines Tages vor jungen Menschen stehen, und während diese die gleiche Strecke zurücklegen, die sie hinter sich gebracht haben, ist ihr klassisches Wissensgebiet geradezu in Stein gemeißelt. Es ist grundlegend und verändert sich nicht! Sie sind die hehren Wächter eines tausendjährigen Palastes der Wissenschaft. Sie sind allen, die da kommen werden, überlegen. Falls sie sich jedoch entschließen, unsere bescheidene Institution zu verlassen, werden sie überall mit offenen Armen empfangen. So oder so: Wer hier reüssiert, hat es geschafft!“

Marvin schaute zu Taylor hinüber und begegnete einem prüfenden Blick. Der erste Platz würde wohl wieder einmal zwischen ihnen ausgemacht werden. Marvin neigte drehend den Kopf. Mike oder Oliver. Vielleicht auch Lester. Einer von ihnen würde sein Zimmer räumen müssen.

Er selbst fühlte keine Unruhe oder Anspannung. Die Nervosität vor Klausuren, die sich seit Jahren regelmäßig einstellte und jenes vertraute, flaue Gefühl im Magen hervorrief, war diesmal nicht zu spüren. Marvin sinnierte. War er sich seiner Sache zu sicher? Den Ehrgeiz, Erster zu werden, hätte er vortäuschen müssen. Es interessierte ihn nicht mehr. Er gönnte diesen Triumph im Grunde Taylor, der größten Wert darauf legte, der Beste zu sein, aufrecht in seinem Stuhl saß und sich durch Konzentrationsübungen auf die kommenden Minuten der geistigen Anspannung vorbereitete, die sich bei gutem Verlauf in Ekstase verwandeln konnte.
Taylor lag in seinen Resultaten oft nur geringfügig hinter ihm zurück. Ihre jeweilige Tagesform sowie das Themengebiet ihrer Aufgaben konnten indessen entscheidend sein. Es gab Bereiche, in denen Taylor ihm durch Akribie und eine geradezu folterhafte Vorbereitung überlegen war.

Ein Bild tauchte auf, das ihn verwunderte. Es schob sich wie ein Vorhang vor seine Augen. Es war der nahgelegene Fluss. Glücklich war er in letzter Zeit nur an solchen Orten. Hier hingegen nie. Aber das war nur natürlich. Wer schwitzt schon gerne in Prüfungsräumen? Marvin liebte den Aufenthalt in der Natur. Wie oft hatte er von seiner Studierstube aus, versonnen den Gärtnern zugesehen, die die einst herrschaftlichen Pflanzen in Form zwangen. Keinem Blatt wurde gestattet herumzuliegen, keinem Gewächs erlaubt ungeordnet emporzuschießen, kein abgeknickter Zweig durfte hängen bleiben, kein absterbendes Grün die Luft mit einer schwülen, fauligen Essenz füllen. Die sie umgebende Natur wies eine unabdingbar klassische Form auf, die Disziplin an diesem Ort war allumfassend und ermüdend zugleich.

Es war ein Schlag in die Magengrube, als die Nervosität einsetzte. Nun wusste er endlich, wie Mike, Oliver und Lester sich fühlen mussten. Marvin musste nicht länger überlegen, er verstand endlich. Es gab diesmal kein Abwägen, kein Für und Wider. Im Grunde wusste er es bereits seit einem Jahr. Seit er das Gefühl hatte, das etwas aus dem Takt geraten war. Ohne sein Zutun. Die Gewissheit darüber war eines Morgens dagewesen. Einfach so! Eine ausreichende Kongruenz zwischen ihm und dem, was er tat, war nicht länger vorhanden! Unbewusst trug er diese Wahrheit von Anbeginn in sich. Sie war ein Teil von ihm, genau wie Arme, Füße und Ohren zu ihm gehörten. Er durfte diesmal nicht ausweichen, sich nicht leugnen und durch barbarisches Verhalten nicht gewaltsam negieren, was ihm vorherbestimmt war, was ihm zustand. Diesmal durfte er sich gegenüber nicht rücksichtlos und unachtsam sein. Er würde endlich die Glasglocke anheben!

Er überlegte fieberhaft, wie es geschehen konnte, dass er das Angestrebte sabotieren wollte. Er war doch immer direkt auf Kurs gewesen. Seine Eltern hatten immer hervorgehoben, dass sie Marvin nie zum Lernen hatten anhalten müssen. Er hätte von Anfang an selbst gewusst, worauf es ankäme. Wenn sie dies Freunden bei einem gemeinsamen Abendessen plaudernd erklärten, hatten ihre Stimmen dabei stets sehr stolz geklungen. Aber es war auch etwas anderes herauszuhören gewesen: Ein klein wenig Staunen und Ungläubigkeit – zudem etwas, das man am besten mit dem Wort unheimlich beschreiben konnte. Ja, es war ihnen unheimlich, dass er von sich aus, stets solch ein Musterschüler gewesen war!

Es war soweit. Sie rückten ihre Stühle zurecht. Zwei einleitende Sätze Professor Nepomuks ertönten, die sie jederzeit hätten rezitieren können. Sie waren umgeben von Ritualen, die unverrückbar andauerten und mit Stolz knappgehalten wurden. Jeder Satz war seit Jahrhunderten bekannt und wohl abgewogen. Es konnte nichts daran verbessert werden, es fiel kein Wort zu viel. Auch sie waren Bestandteile eines perfekten Systems und würden nur zu bald ihren Platz darin einnehmen dürfen. Deshalb würde ihr Leben auch so einfach sein, weil alles feststand, geregelt und somit gesichert war.

Nie hatte er sich so schwer vorgestellt – zu versagen. Er überflog sämtliche Aufgaben und sah, dass er sie lösen konnte. Daraufhin waren sie sechs Jahre lang vorbereitet worden. Natürlich, es war ein konzentriertes Abarbeiten nötig. Sich Aufgabe für Aufgabe vornehmen, jegliche Ablenkung ausblenden, sich in die Lösungswege vertiefen, in die erhabene Welt der Wissenschaft eintauchen, Schritt für Schritt, ruhig, überlegt, den Gesamtprozess im Auge behalten – am Ende kurz überprüfen, fünfmal ein- und ausatmen und sich mit erneuerter Aufmerksamkeit der nächsten Aufgabe widmen.

Je deutlicher wurde, dass er durchfallen wollte, desto ruhiger war er. Dies erleichterte wiederum die Lösung der Aufgaben. Bewusst und mit voller Absicht musste er Fehler einbauen. Eine neue Situation! Endlich! Endlich geschah etwas Unvorhergesehenes in diesen Mauern! Und es würde gar nicht so einfach sein, die Fehler wie wirkliche Fehler wirken zu lassen. Bei dem Gedanken, dass er, um dieses Ziel zu erreichen, von Mike, Oliver oder Lester abschreiben könnte, lächelte Marvin.

Das jeweilige Ergebnis notierte er auf den Prüfungsbögen. Daneben lagen die eng beschriebenen Arbeitsblätter. Aber ohne Lösungsweg wurde ein richtiges Ergebnis als wertlos gewichtet. Noch hielt er sich die Entscheidung also offen. Er musste nur die Arbeitsblätter mit abgeben, dann würde er den vorgezeichneten Weg weiter gehen und konnte sich den Sturm der Verwunderung und Enttäuschung ersparen.

Professor Nepomuk schritt, die Hände auf dem Rücken ineinandergelegt, lautlos durch die Reihen und blieb bisweilen irgendwo im Raum stehen. Seine Anwesenheit war stets spürbar, er schaute göttergleich auf sie herab und strahlte eine unglaubliche Ruhe und Überlegenheit aus. Was Nepomuk wohl fühlte? Ob er die Situation genoss? Ob dies im Alltag des Lehrens eine immaterielle Verdichtung, ein geistiges Verschmelzen war? Genoss der Professor diesen Höhepunkt ganz bewusst?

Endlich kam der Zeitpunkt der Abgabe. Somit lag nun also auch die letzte Prüfung fast hinter ihnen. Alle sahen erschöpft aus. Aber während in Taylors Gesicht herrische Entschlossenheit lag, er misstrauisch und fragend Marvin betrachtete, hatten Mike und Lester gerötete Gesichter. Lesters Miene drückte zudem eine deutliche Verstörtheit aus, während Oliver sich ängstlich umschaute und den Eindruck machte, dass er nur froh war, dass es vorbei war. Ungleich, wie es ausgehen mochte! Für sie musste das Warten auf die Bekanntgabe der Ergebnisse am nächsten Tag entsetzlich sein.

Marvin war es nicht gelungen, Fehler einzubauen. Mit einer fast gewaltsamen Bewegung zwang er sich hingegen, die Arbeitsblätter von den Prüfungsbögen zu trennen. Er schob die Prüfungsbögen in den Umschlag, auf dem sein Name stand und wollte ihn gerade zukleben, als eine Hand, die er so gut kannte, sich auf die beiseitegeschobenen Arbeitsblätter legte.

Marvin schaute entschlossen auf und sah in die hellgrauen Augen des Professors, die nichts verrieten. Sie erwiderten seinen Blick offen und vertrauensvoll. Noch lag kein Ausdruck von Argwohn in des Professors Antlitz, jedoch war es immer schwer gewesen, ihn zu durchschauen. Nepomuk hatte sich nie wirklich zu erkennen geben. Er war die Musterform eines Professors, ein riesiger, glänzender Saal an festgezurrten, unverrückbaren Wahrheiten, Axiomen gleich, und von einer gelassen-ehrwürdigen Haltung, die sich so stilvoll in den Universitätsbetrieb, diesen weihevollen Tempel der klassischen Wissenschaft, einfügte.

Der Professor nahm die Blätter auf und hielt sie Marvin hin. „Das wäre doch schade gewesen“, lächelte der Professor und sein Gesicht war nun nicht gelassen und würdevoll, sondern zeigte eine kaum wahrnehmbare Andeutung von Wärme und Sympathie. Völlig zu Recht war hier alles über jeden Zweifel erhaben. Es war so einfach, das Angebot anzunehmen. Er musste nur Erschrecken anzeigen, Dankbarkeit heucheln, erleichtert lächeln, die Blätter nehmen und in den Umschlag schieben. Dies war der einfachste Weg! Alles andere wäre kaum zu erklären! Er verstand es doch selbst nicht! Aber er war sich dennoch sicher. Er wollte ausbrechen und spürte, wie schwer es war, den vorgegebenen Weg zu verlassen!

„Danke, aber es ist alles bereits im Umschlag.“
Der Professor runzelte erstaunt die Stirn und verstand natürlich im selben Moment, dass es kein Versehen gewesen war und er dem jungen Mann nicht half – sondern ihn auf der Flucht gestellt hatte.
„Bist du dir sicher?“
Jemand, der den Professor nicht so gut kannte, hätte keinen Unterschied in seiner Stimme ausgemacht, Marvin nickte und sah mit großen Augen zu ihm auf.
„Willst du das nicht in Ruhe überprüfen und nochmals nachschauen?“
Die Kommilitonen gaben bereits ihre Umschläge ab, normalerweise nahm sie Nepomuk, jeweils mit einem leichten Nicken, selbst entgegen, aber der stand bei ihm und ließ sich nicht beirren, denn er wusste, dass es jetzt nichts wichtiger war, als sich um den Gefährdeten zu kümmern. Es galt zu verhindern, dass einer fehlging!

Der assistierende Dozent nahm derweil die Umschläge der Kommilitonen entgegen, die gespannt beobachteten. Natürlich hatten sie bemerkt, dass etwas Ungewöhnliches vor sich ging. Hatte Marvin geschummelt und war entdeckt worden? Bat Marvin um eine Verlängerung der Prüfungszeit? Das war unwahrscheinlich. Kein Mitstudent konnte sich erklären, was vor sich ging und warum Nepomuk noch immer bei ihm stand. Marvins Blick schweifte kurz über die vertrauten Gesichter, in denen das Zusammenspiel von Stirn, Nase, Mund und Augenbrauen ausnahmslos Fragezeichen formte. Er würde es weder Professor Nepomuk, noch seinen Freunden, geschweige denn seinen Eltern erklären können. Marvin konnte es sich ja selbst nicht erklären. Es war mehr ein Gefühl, ein Bild. Wenn er es beschreiben müsste, dann würde er eine Szenerie zitieren, den Fluss, an dessen Ufer er sich selbst als schmale und nebensächliche Figur einherschlendern sah.

„Du verlierst viele Jahre – durch diese Unachtsamkeit“, warnte der Professor. Noch immer hielt er ihm die Blätter hin.
„Es ist wohl überlegt.“
Das Runzeln auf des Professors Stirn vertiefte sich: „Du hast viel auf dich genommen, um so weit zu kommen. Ich verstehe nicht, warum du innerhalb eines Augenblicks alles wegwirfst, was du erreicht hast.“
„Vielleicht gewinne ich dadurch viele Jahre.“
„Vielleicht!“ In Professor Nepomuks Gesichtszügen lag nun etwas, das man fast Zorn nennen konnte. „Ich hatte nicht erwartet, solch ein Wort von dir zu hören!“
Es war allseits bekannt, dass Worte wie vielleicht und eigentlich in diesen Mauern nicht geduldet wurden.
 
Bei der morgigen Urteilsverkündigung würden die Eltern anwesend sein und eine Familie würde den Sohn nach draußen begleiten. Marvin erinnerte sich, wie er als Kind ein erstes Mal die angebotene Schokolade ausgeschlagen hatte, weil sie ihm zu süß war und die Großmutter sie ihm weiterhin hartnäckig aufdrängte, weil sie annahm, dass er nur zu schüchtern sei, um sie anzunehmen. Aber er mochte einfach den zu süßlichen Geschmack nicht! Hatte ihn noch nie gemocht! Dies ging so lange, bis der Großvater, ein mürrischer Kauz, eingriff, und brüllte: „Lass ihn doch in Ruhe, wenn er partout nicht will!“

Auf des Professors Antlitz machte sich für eine Sekunde lang eine tiefe Enttäuschung breit, ziselierte Spuren von Wut flatterten schattengleich über sein Gesicht hinweg. Daraufhin ordneten sich seine sicherheitsgewohnten Züge wieder und strahlten jene stoische Überlegenheit aus, die dem Weiterleben einer alten Tradition dienten. Nepomuk registrierte: Sie hatten soeben einen Talentierten verloren. Das war bedauerlich, aber nicht weiter schlimm. Ein geringfügig weniger begabter, aber umso beflissener Mensch, würde an seine Stelle treten. Der Professor ließ die Bögen los. Sie glitten auf den Tisch. Noch war es nicht zu spät. Noch konnte er die Blätter zusammenraffen, aufspringen und seinen ungeheuren Fehler korrigieren. Marvin wandte den Kopf ab.

Die Welt hinter den hohen Fenstern übte eine mächtige Anziehung auf ihn aus. Dort schien alles so einfach, hell und leicht. Nach einem Unwetter waren die Gärtner stets früh unterwegs und säuberten das Gelände, brachten alles in Form und wenig später war der gewohnte, beruhigende Zustand wiederhergestellt. Zu prächtig blühende Büsche wurden zurückgeschnitten, um das Gleichgewicht zu wahren. Quer- und schief treibendes Gewächs nicht geduldet, die klassische Form musste stets eingehalten werden und hierbei gab es nur vertikale, horizontale, runde, ovale und eckige geometrische Formen, deren Ausmaße festgelegt und aufeinander abgestimmt waren. Alles innerhalb und außerhalb dieser ehrwürdigen Mauern war Teil eines perfekten Systems, welches hingegen nichts tolerierte, das aus dem Rahmen fiel. Die jahrtausendealten Formeln waren anerkannt, wurden gelehrt und befolgt. Aber das sich jemand, der den Anforderungen entsprach, freiwillig herausnahm, war sicherlich ein seltener Fall. Freilich hatte der Dekan die passende Weisheit parat und konnte den verstörten Professor aufrichten. Das System stand über dem Einzelnen und wusste untrüglichen Rat.

Marvin faltete mehrfach, steckte die nutzlos-wichtigen Bögen in eine Hosentasche und verließ den Prüfungssaal. Auf dem Gang warteten die Prüflinge und sahen ihn fragend an. Marvin schüttelte den Kopf, schob sich zwischen ihnen hindurch, verließ den Gebäudetrakt, sprang große Stufenbündel hinunter und eilte in den Garten. Er lief zum Fluss hinunter, zog dort die Papiere hervor, hielt sie hoch und ließ sie in das Wasser gleiten.

Wie die großflächigen Blätter der Seerosen lagen sie im nahezu stillstehenden Gewässer, wurden rasch dunkel, sogen sich mit Wasser voll. Die Tinte zerfloss. Er drehte sich um und betrachtete die Gebäude. Alles war vergänglich und veränderlich. Diese einfache Wahrheit negierte in seinen Augen die unverrückbaren Statuen der ehernen Universität. Die dunklen Papiere sanken langsam und befanden sich nun direkt unter der Wasseroberfläche. Ungerührt zickzackte eine Libelle im Flug darüber hinweg. Fasziniert beobachtete Marvin, ob sie alle Blätter überfliegen würde und dachte kurz darüber nach, ob dies eine versteckte Nachricht an ihn sei. Marvin lächelte über seine ungeordneten Gedanken, die in den Gebäuden hinter ihm keinen Bestand gehabt hätten, ihm aber so gefielen, dass er das zweite Mal an diesem Morgen lächelte. Marvin fröstelte und die Anspannung fiel von ihm ab. Es war vorbei! Sein Porträt, das alle als endgültig und plausibel angesehen hatten, war aus dem Rahmen gefallen, seine erste Karriere endgültig ruiniert! Sie hatten seine Flucht nicht vereiteln können. Er hatte versagt und damit fing das Wohlsein an!
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